Lambrecht - erste 'Verbandsgemeinde' 1839 durch Zusammenschluss von (St.) Lambrecht u. Grevenhausen zur Erzielung von Synergieeffekten im Bereich gemeinnütziger Einrichtungen - Teil I

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Lambrecht - erste 'Verbandsgemeinde' 1839 durch Zusammenschluss von (St.) Lambrecht u. Grevenhausen zur Erzielung von Synergieeffekten im Bereich gemeinnütziger Einrichtungen - Teil I

 

Lambrecht - erste ‚Verbandsgemeinde’ im Jahre 1839

durch Zusammenschluss der Orte

(St.) Lambrecht und Grevenhausen

zur Erzielung von Synergieeffekten

im Bereich gemeinnütziger Einrichtungen

 

Die Frage, weshalb St. Lambrecht seit der Vereinigung mit dem unmittelbar auf der andern Seite des Speyerbachs gelegenen Nachbarort Grevenhausen nur noch ‚entstellt’ Lambrecht heißt, entpuppt sich als ein einziges, im Endeffekt nicht ganz lösbares Rätsel.

 

Bevor zu den Ursachen für diesen im Grunde unerklärlichen Vorgang eines Namensschwunds irgendwelche Hypothesen oder gar ganze Theorien aufgestellt und entwickelt werden, die dann doch zu keinem greifbaren Ergebnis führen, da sie rein wissenschaftlich weder ‚falsifizier-’ noch ‚verifizierbar’ sind, möchte ich mit diesem Beitrag erst einmal die Fakten zum Vereinigungsvorgang beider Ortschaften aus den Jahren 1838 bis 1840 auf den Tisch legen und so gut wie möglich beleuchten, soweit dies die uns erhaltene Aktenlage aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München zulässt.

 

Der gesamte, ‚urkundlich’ hinterlegte Verwaltungsakt zur Vereinigung beider Gemeinden umfasst acht handschriftlich verfasste Seiten. Von diesen können für unsere Fragestellung folgende vier Seiten fürs Erste unberücksichtigt bleiben:

 

a) das Deckblatt, das lediglich den Sachtitel des Vorgangs vermerkt
    („Geheime Raths Acten, K.[önigliches] StaatsMinisterium des Innern,
        Die Vereinigung der Gemeinden Lambrecht und Grevenhausen,
        Landcom[m]iss[ariat]: Neustadt“)

b) Die Seiten 5 und 6 geben die wohlwollende Auffassung des Ministeriums der Finanzen
    wieder, das zu dieser Vereinigung keine steuerrechtlichen Bedenken/Einwände hat und
    folglich mit „Protocoll“ vom 09.04.1839 sein Plazet hierzu erteilt.

c) Das Ministerium des Innern tritt mit Schreiben vom 14.03.1840 in knappen Worten
    seine Zuständigkeit für Nachregelungen von Gemarkungs- und Baugrenzen im Zuge
    der ‚Verschmelzung’ beider Ortschaften an die Königliche Regierung der Pfalz,
    Kammer des Innern, mit damaligem Sitz in Speyer ab.

 

So gesehen verbleiben aus dem gesamten Akt nur zwei Kernstücke von zentraler, ausschlaggebender Bedeutung, was die Namensgebung der so frisch aus der Taufe gehobenen, neuen Gemeinde anbetrifft.

 

Wie heute auch noch üblich, müssen Anträge, die von höchster staatlicher Instanz zu bescheiden sind, in dem Falle vom bayerischen Innenministerium, auf dem ‚Dienstwege’ eingereicht werden. Oberste Behörde des ‚Rheinkreises’ bzw. der ‚Rheinpfalz’, welche Bezeichnung sich ab etwa 1837 für die linksrheinische Pfalz in Differenzierung/Abgrenzung zur Oberpfalz einbürgerte, war die in der altehrwürdigen Domstadt Speyer ansässige „Königliche Regierung der Pfalz“ mit der „Kammer des Innern“. Es ist diese Regierungsstelle in Speyer, die im Auftrag beider Gemeinden der bayerischen Regierung in München gegenüber tätig wird. So stellt sie von Amts wegen mit Datum vom 12. Oktober 1838 den Antrag auf Zusammenlegung der beiden Gemeinden zur (negativen oder auch positiven) Bescheidung durch das zuständige Innenministerium des Königreiches Bayern - formal an den ‚allerdurchlauchtigsten, großmächtigsten König’ persönlich gerichtet, da dieser verfassungsgemäß alle Gesetze, Verordnungen usw. zu deren Gültigkeit zu ‚sanctionieren’ hatte (vgl. Titel IV, § 30 der landständischen Verfassung Bayerns vom 26. Mai 1818).

 

Hier die ästhetisch kunstvoll gestaltete ‚Eröffnungsszene’ des Antrags, imponierend durch ineinander verschlungene, grazil gravitätisch wirkende Schwungbögen, die seine Majestät, den König, verklären und - seiner Herrscherpose Rechnung tragend - in die Wolke eines ‚Heiligenscheins’ hüllen. Kein noch so metaphorisch sinnlich entworfenes Logo im Kopf eines modernen Briefes vermag einem solchen Monarchen „von Gottes Gnaden“ Paroli bieten, einem Fürsten, der nach christlichem Verständnis (seit dem Frühmittelalter) gemäß Römerbrief 13, 1 über und außerhalb der von Menschen gemachten Gesetzen steht, diesen selbst also nicht unterworfen ist (vgl. die Queen Großbritanniens: „She is above the law“, so heißt es auch heute immer noch!) und nur von Gott aus seinem Amte abberufen werden kann.

st-lambrecht-vereinigg-s-2b-08k

Natürlich musste ein solcher Antrag auch stichhaltig begründet werden, um Aussicht auf Erfolg zu haben. Nichts war leichter als dies in vorliegendem Falle.

 

Im Wesentlichen sind es zwei Punkte, die die Argumentation der Regierung in Speyer ausmachen. So wird zum einen angeführt, dass beide Gemeinden zum Zeitpunkt der Antragstellung baulich wie auch wirtschaftlich sozial so eng ineinander verzahnt, verwoben, miteinander verbunden sind, dass ein Außenstehender sie ohnehin nicht mehr von einander unterscheiden könne. Allein schon die topografischen Gegebenheiten eines kleinräumigen, von Bergen umgebenen Tales als Wohn- und Lebensraum drängten einen Zusammenschluss beider Ortschaften zu einer gemeinsamen Lebensgrundlage förmlich auf. Die verwaltungstechnisch nominelle Verschmelzung beider Gemeinden zu einer Ortseinheit sei daher im Grunde nur noch formaler Akt zu dem, was de facto längst vollzogen.

 

Der zweite Grund, der mich bewogen hat, im Zusammengehen beider Gemeinden einen Vergleich mit der Bildung einer ‚Verbandsgemeinde’ zu wagen, ist bei näherer Betrachtung gar nicht so abwegig. Sinn der ganzen gebietsstrukturellen Verwaltungsreformen der Jahre 68 bis 72 unserer Zeit war nicht nur die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Verwaltung mit mehr Nähe zum Bürger, sondern sie hatte vor allem auch finanzielle Einsparungen zum Ziel. Bei nach wie vor bestehender Selbständigkeit der Ortsgemeinden innerhalb einer Verbandsgemeinde z. B., soll allein die gemeinsame Verwaltung derselben dazu führen, dass nicht jede Ortsgemeinde unbedingt ihre eigene Bibliothek, Schule, ihr eigenes Schwimmbad, Wasserwerk usw. hat, sondern dass solche Einrichtungen gemeinnütziger Natur aus dem Steuersäckel aller Einzelgemeinden (mit Zuschüssen aus Kreis, Land u. Bund, je nach Lage der Dinge) finanziert, d. h. einmal erbaut und unterhalten werden. Genau dies ist einer der Hauptgründe, der damals für die Zusammenlegung der beiden Orte (St.) Lambrecht und Grevenhausen sprach. Zum Beleg hierfür sei der zweite Absatz auf S. 2 des Antrags zitiert, der diese erkenntnisgesegnete Ansicht ab Zeile 4, beginnend mit dem Wort „sondern“, enthält:

 

„ Ohngeachtet dieser, eine Vereinigung beider Orte begünstigenden,
natürlichen Lage, bildet jeder Ort eine für sich abgeschlossene
Gemeinde, wodurch nicht allein mannigfaltige Verwicklungen in
der Kommunalverwaltung entstehen, sondern es hat diese unnatürliche
Scheidung [= Trennung in zwei Orte] noch den besonderen Nachteil,
dass manche gemeinnützige Anstalt, welche für beide Orte ausführbar
wäre, unterbleiben muss, weil die einzelne Gemeinde allein die Mittel zur
Ausführung nicht aufzubringen vermag.“

Hier der Auszug aus der Urkunde in authentischer Schrift:

st-lambrecht-vereinigg-s-3b-08k_20

BayHStA, MInn 60071, S.3

Wie modernzeitlich, ja geradezu fortschrittlich das Ganze schon damals gedacht war! Die Zusammenlegung zweier Ortschaften aus ökonomischen Gründen zum Vorteil beider. Ein amerikanisches ‚Märchen’ ist mit diesem zum Mythos erhobenen Leitspruch „E pluribus unum“ (= aus Mehreren möge Eines entstehen [= eine funktionale Einheit]) in Lambrecht wahr geworden.

 

In einem Resümee aller vorgebrachten Einzelgründe schließt der Antrag in einem pathetisch klingenden Appell an die ‚Königliche Majestät’ Bayerns, die Vereinigung beider Ortschaften zu genehmigen und der neuen Ortschaft den Namen „Lambrecht-Grevenhausen“ zu verleihen.
Wortwörtlich heißt es hier:

„Wir erlauben uns daher die ehrfurchtsvolle Bitte, es möge
Ew. Königliche Majestät allergnädigst geruhen, die Vereinigung
der Gemeinden Lambrecht und Grevenhausen in eine Gemeinde
unter dem Namen Lambrecht-Grevenhausen auszusprechen und
allergnädigst zu verordnen, dass diese Vereinigung unter der von
dem Gemeinderate in seinem Beschlusse vom 27. Mai 1838
beantragten sachgemäßen Bedingungen vollzogen werde.“

Hier das Original der Seite mit der Passage in fotografischer Reproduktion:

 

BayHStA, MInn 60071, S.4

Es verwundert nun jeden (auch nur halbwegs) sachkundigen, heimathistorisch bewanderten Leser, weshalb just an dieser entscheidenden Stelle einer Namensvergabe die bis dahin an sich übliche Bezeichnung „St. Lambrecht“ unter den Tisch fällt, aus welchen Gründen auch immer.

 

Der Antrag, wie er per gemeinsamem Beschluss beider Gemeinden vom 27. Mai 1838 auf dem Amtswege über das Landkommissariat Neustadt an die Regierung in Speyer eingereicht wurde, hat in die Hauptakte des Staatsministeriums in München wohl keinen Eingang gefunden, sonst wäre er Teilbestand der Unterlagen, wie sie bis zum heutigen Tage vom Bayerischen Hauptstaatsarchiv aufbewahrt werden. Daher lässt sich auch nicht mit annähernder Sicherheit sagen, ob das Plädoyer der pfälzischen Regierung für diesen Namen identisch ist mit dem im ursprünglichen Antrag der beiden Gemeinden selbst geäußerten Wunsch.

 

Erstes, bezeichnendes Licht auf diesen Fragenkomplex wirft - ohne ihn freilich ganz zu beantworten - die vom 16. Juni 1839 datierende Stellungnahme des Innenministeriums zu diesem Antrag. Einer intensiven, textinternen Analyse dieses ‚Papiers’ möchte ich mich in Teil II, der “‚Odyssee’ der Namensgeschichte Lambrechts“, widmen.